Läuft nicht alles, was wir tun, darauf hinaus, dass wir etwas bestimmtes fühlen wollen? Wir treffen uns mit Menschen, lesen Bücher, schauen Filme, hören Musik, bewegen den Körper – um etwas bestimmtes zu fühlen. Oder?
Und viele stressige Glaubenssätze, die ich mit mir und anderen in den letzten zwanzig Jahren überprüft habe, beinhalten die (meist unbewusste) Aussage, dass mich etwas außerhalb von mir davon abhält, zu fühlen, was ich fühlen möchte. (andere Menschen, Lebensumstände oder das Fehlen von Geld, Liebe etc.). Nimm dir bitte mal einen Moment und prüfe, ob das bei dir auch so ist.
Kennst du solche Gedanken:
- Wenn da nur nicht XY wäre, dann könnte ich gelassen sein.
- Wenn YZ nicht immer so komisch gucken würde oder so doofe Sachen sagen würde, dann würde ich mich freier fühlen.
- Andere geben mir keine Anerkennung. Deshalb fühle ich mich nicht wichtig.
- Ich kann keine Fülle spüren, weil ich nicht so viel Geld verdiene.
- Wegen dieser blöden Baustelle kann ich mich nicht entspannen.
Wie wäre es, wenn es möglich wäre, diese Verknüpfung zu lösen? Wie wäre es, wenn du einen Großteil des Tages fühlen könntest, was du fühlen möchtest, ganz gleich, was die Welt um dich herum so macht. Nimm dir bitte auch für diese Vorschau einen Moment Zeit. Wie wäre es, wenn du das könntest?
Ich bin zum Beispiel mit der Selbstverständlichkeit aufgewachsen, dass ich einen Grund brauche, um mich zu freuen. „Wie? Einfach so freuen? Weswegen denn?“ Und könnte es sein, dass das „nur“ eine Konditionierung ist? Eine Angewohnheit? Und ich mache es mein Leben lang so, weil ich das eben glaube?
Mal angenommen, Gefühle wären nichts, was du von anderen bekommen müsstest, was andere dir geben müssen. Wie wäre das? Wärest du dann nicht unabhängiger von anderen Menschen und könntest sie so lassen, wie sie sind? Dann könntest du es vielleicht genießen, wenn sie von sich aus ihre Wertschätzung oder Liebe ausdrücken und wenn sie es nicht tun, würdest du dich dennoch wohl fühlen. Was wäre das für ein Leben? Was wäre das für ein Kontakt zu anderen Menschen?
Müsstest du dich dann noch verbiegen, damit du von ihnen bekommst, was du möchtest? Müsstest du dir dann noch die Mühe machen, sie zu beeinflussen oder von ihnen verlangen, dass sie dir geben, was du brauchst?
Welche Gefühle möchtest du gern fühlen?
Für die Übung, die ich dir heute vorschlagen möchte, schau mal, welche Gefühle es sind, die du gerne fühlen möchtest (und die nicht von anderen Menschen abhängen).
Hier ein paar Vorschläge:
Ich fühle mich: ausgeruht, behaglich, dankbar, energiegeladen, entspannt, erfüllt, frei, fröhlich, gespannt, locker, konzentriert, mutig, sanft, offen, zufrieden.
Wenn du dich so fühlen möchtest, schau doch mal, ob du dich so fühlen kannst, ganz gleich, ob alle Umstände in deinem Leben schon so sind, wie sie sein sollten. (Meine Erfahrung ist: in den Lebensumständen ist doch fast nie alles so, wie ich es gern hätte. Der Volksmund sagt: Irgendwas ist immer. ;-))
Angenommen, du möchtest Entspannung spüren.
Wie fühlt es sich zum Beispiel an, entspannt zu sein? Was kannst du jetzt, wo du dich nach Entspannung sehnst, alles entspannen? An deinem Körper, deinem Zeitplan, deinen Gedanken, deinem gedanklichen Fokus?
Oder hast du eine Erinnerung daran, wann du mal auf die Weise entspannt warst, wie du es jetzt gerne wärest? Kannst du diese Erinnerung hervorholen? Wie hat es sich in diesem Moment angefühlt, entspannt zu sein? Kannst du es fühlen, während du dich erinnerst? Dann fühlst du es ja jetzt, nicht wahr? Wie wäre es, wenn du jetzt beschließt, den Rest dieses Tages, so gut wie es geht, dieses Gefühl zu fühlen? Alles, was noch zu zutun ist, in diesem Gefühl zu tun? Mal kannst du es vielleicht stark spüren, mal nur im Hintergrund, dann verlierst du es ganz und erinnerst dich daran und kannst es reaktivieren.
Wir können Gefühle selber kreieren. Probiere es einmal aus.
Sollte ein starkes anderes Gefühl auftauchen, kannst du es zulassen, solange es in dir schwingen will. Wenn es abflaut, kannst du deine Aufmerksamkeit wieder auf dein gewünschtes Gefühl legen. Immer nur so gut, wie es halt gerade geht. Ich zum Beispiel mag als alltägliches Hintergrundrauschen oft ein „behagliches“ Gefühl. Das ist, als könnte ich mich in mir selber einkuscheln. Und wenn irgendeine Art Stress auftaucht, probiere ich (falls nicht energisches Handeln gefordert ist) mich in das Leben hinein zu entspannen. Mich mit dem zu entspannen, wie es halt immer gerade ist.
Denkst du jetzt, dass das keine leichte Übung ist? Vielleicht hast du Recht. Und in gefühlter Abhängigkeit zu anderen Menschen, Umständen und Dingen zu leben ist auch nicht einfach, oder? Und wer weiß, probiere es mal mindestens eine Woche aus (ein Tag ist zu kurz um die Wirkung zu spüren, die diese Übung für dein Leben haben kann.)
Du könntest dich natürlich fragen: was müsste ich denn jetzt denken oder glauben, damit ich fühlen kann, was ich fühlen möchte? Oder, wie in der Arbeit mit „The Work“ drei konkrete Beispiele finden, warum du dein gewünschtes Gefühl genau jetzt fühlen kannst. 🙂
Und: wenn wir etwas fühlen wollen, könnten wir uns ganz generell viel mehr mit dem Fühlen beschäftigen statt mit dem Denken. Das viele Nachdenken, soll dich am Ende ja auch nur zu bestimmten Gefühlen führen, oder? Schau doch mal, ob du den direkten Weg nehmen kannst. Wenn du es als ein Experiment oder Spiel betrachtest, könnte es leicht gehen. Und: ich bin neugierig! Schreib mir bitte unten ins Kommentarfeld, wie diese Erfahrung für dich ist!
Hier eine kleine Ergänzung zur direkten Arbeit mit Gefühlen:
Oft sagen wir „Gefühl“ zu etwas, was streng genommen gar keins ist. Meist folgen nach der Einleitung: „Ich habe das Gefühl, dass ich…“ doch eher Gedanken als Gefühle. Z.B.:
- ich habe das Gefühl, dass ich hier am falschen Platz bin
- ich habe das Gefühl, dass der andere schlecht über mich denkt
- ich habe das Gefühl, dass es bald regnen wird
Und auch Gefühlsbeschreibungen, die Bewertungen oder Interpretationen über das Verhalten anderer einschliessen sind oft kein reiner Ausdruck von Gefühl.
- ich fühle mich übergangen
- ich fühle mich nicht respektiert
- ich fühle mich ausgegrenzt
Diese Art von Gefühlsbeschreibungen unterstellen jemand anderem eine bestimmte Absicht oder Tat. Würde ich mich so ausdrücken, könnte es gut sein, dass der andere sich auch „angegriffen fühlt.“
Wenn du dich darauf verlegen willst, deine erwünschten Gefühle selber zu fühlen, dann geht das gut mit „reinen“ Gefühlen. Zum Beispiel:
- ich fühle mich neugierig/ lethargisch
- ich fühle mich sicher/ unsicher
- ich fühle mich kraftvoll/ schwach
Der Ausdruck dieser Gefühle gibt niemandem eine Schuld. Du fühlst dich so, und dieses Gefühl muss dir nicht jemand/etwas gegeben haben. Das Gefühl ist in dir aufgetaucht, so wie auch Gedanken halt auftauchen.
Hier findest du eine große Auswahl an „reinen“ Gefühlen, die die meisten Menschen gerne fühlen. Welches suchst du dir für heute aus?
Viel Freude beim Experimentieren! Wenn Du dazu Fragen hast, schreib sie mir bitte in das Kommentarfeld weiter unten!
Wenn du alleine nicht weiterkommst, kannst du dich von mir in einer Einzelsitzung begleiten lassen. Oder kostenfrei bei: „THE WORK mit INA live„.
Hier kannst du dir den ganzen Artikel auch anhören:
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sehr gut, Ina!
nur das Abstand nehmen vom Denken muss zuerst erlernt werden 🙂
lg Eva
Liebe Eva, zum Glück kann es erlernt werden. 🙂
mal ein anderer Ansatz- gefällt mir 🙂
da merke ich, dass ich das gar nicht weiß um welches Gefühl es genau geht- werde das die nächste zeit mal näher verfolgen und beobachten.
danke schön!
Liebe Nana, es ist hilfreich, wenn du ein bisschen experimentierst… ich habe festgestellt, dass ich auf bestimmte Gefühle leicht Zugriff habe. Z.B. auf Dankbarkeit, Entspannung. Liebe, Freude. Für andere baue ich den Zugang erst aus…
Und ich liebe die deutsche Sprache dafür, dass sie so viele verschiedene Möglichkeiten hat, ähnliche Gefühle auszudrücken. So kann ich mich auch durch Synonyme an das Gefühl „heranpirschen“, es umkreisen und erforschen. 🙂
Nehme ich mein Beispiel aus dem Blogartikel: behaglich – dann finde ich dazu: wohlig, bequem, komfortabel, gemütlich, genießerisch, lauschig, heimelig…. das gibt mir schon ziemlich viele Facetten meiner geliebten Behaglichkeit.
Vielen Dank für diese Anregung deines Hintergrundgefühles behaglich.
Als Anregung für dich fände ich gut, das Wort „zulassen“ gegen „erlauben“ auszutauschen.
Liebe Bettina, du kannst es dir gern austauschen! 🙂
Ja, liebe Ina, wie leicht sich wunderbare Gefühle kreieren lassen zeigt mein Erlebnis in dieser Woche.
Ich folge energiegeladen meiner Freude in die Küche und probiere spontan ein neues Blech-Kuchenrezept aus, das mich inspiriert hat, weil dessen Zutaten mich glücklich und heiter stimmen. 25 Minuten später zieht ein magischer Duft durchs Haus, der mich dazu verführt, den Kuchen mit lieben Menschen zu teilen. Beschwingt landet er in der Nachbarschaft und bei ein paar einsamen Senioren, die bei seinem Anblick und seinem Duft verblüfft strahlen. Als die leeren Teller tags drauf wieder eintrudeln, schaue ich in fröhliche dankbare Gesichter, denen ich wohl unverhofft den Tag erhellt habe!
Liebe Grüße
Marion
Wow! Das klingt ja lecker! 🙂
Danke ina deine Anregungen sind für mich immer eine große Bereicherung ☀️Ich werde heute die Übung ausprobieren ?das schwierigste für mich ist, so wie es Eva beschreibt, das abstand nehmen vom destruktiven denken ? mir ist beim lesen bewusst geworden, dass mein Wohlbefinden nur vom fühlen abhängig ist♥️Ich such mir ein schönes Gefühl aus und werde heute experimentieren?danke und einen schönen Sonntag glg Isolde
Mich für ein bestimmtes Gefühl entscheiden? Ja, klasse! Aber ich muss ich es herholen und auch fühlen, nicht nur denken; es kultivieren, es lebendig halten. Welchen Weg schlägst Du vor? Visualisieren oder andere Sinneskanäle ansprechen? Oder kennst Du sonst noch Techniken?
Liebe Ina,
ein schöner Ansatz. Ich merke immer wieder, dass ich etwas mit dem Gefühl erfassen möchte und schwups ist der Verstand dazwischen geprescht.
Was hilft da?
Viele Grüße
Marion
Liebe Marion, aus meiner Sicht beginnt es damit, dass wir uns bewusst machen, dass wir so funktionieren. Wir sind so aufgewachsen, so konditioniert, dass wir alles mit dem Verstand erfassen und lösen wollen. „Ich denke, also bin ich!“
In dem Moment, wo du wahrnimmst, dass du etwas fühlen möchtest und dein Verstand prescht dazwischen, kannst du kurz innehalten und das bemerken. Dich dann fragen: Gibt es jetzt & hier wirklich eine Notwenigkeit, das Denken zu benutzen? Wenn nicht, kannst du deine Aufmerksamkeit freundlich an die Hand nehmen und dorthin lenken, wo du sie haben willst.
Wenn du das eine Weile machst, wird es immer leichter. Du bildest neuronale Bahnen und Netzwerke dafür aus und irgendwann geht es ganz leicht… 🙂
hallo liebe Ina, ja das stimmt, sobald sich das Egodenken, der Verstand dazwischen schiebt fühlst Du Dein Gefühl nicht mehr deutlich, Du kommst ins Grübeln, alles geht hin und her, durch Deine tolle Technik, geht das sehr gut wieder, zurück in das Gefühl das man möchte.
ich hatte das beim Zahnarzt ausprobiert hat super geklappt, deine Bücher und Texte sind alle in der Praxis anwendbar,tolle Sache Danke Wolfgang,,,,…..
Liebe Doris, die meisten Menschen haben ein/zwei Sinneskanäle, auf denen sie besonders empfänglich sind. Weisst du, welche das bei dir sind? Und magst du es mal mit denen probieren?
Wunderbar! Wenn du ein bisschen an der Übung dranbleibst, wird es immer leichter gehen. Es ist, wie bei allem, was wir neu lernen. Wir programmieren unser Gehirn um oder bilden neue Netzwerke. Die müssen erst gebildet werden, deswegen ist der Anfang meist schwer. Sind sie erstmal ausgebildet, gehts leichter… 🙂
Was für eine wunderschöne, hilfreiche und tief kluge Inspiration….
Das mach ich !!! Yeah!!
Heute ist Begeisterung dran *hehe*….
🙂
Liebe Ina,
Danke für die kraftvolle Anregung. Ich kenne das vom träumen, dass mich das Gefühl vom Traum noch den ganzen Tag begleitet während ich arbeite und dabei auch den Verstand benutze. Irgendwie geht beides gleichzeitig.
Aber ich möchte mich z. B. sicher fühlen und dieses Gefühl rutscht mir weg sobald ein Gedanke auftaucht: ich habe nicht genug Geld, Unterstützung oder Liebe.
Irgendwas fehlt meistens dafür. Ich kann zwar immer mindestens drei Beispiele
finden warum ich mich sicher fühlen kann. Es hilft aber nicht, die Angst bleibt. Hast du eine Anregung für mich?
LG Susanna